Die Hansestadt Anklam und Peenemünde im Norden der Insel Usedom stehen gleich für zwei Projekte des Menschenfluges: In Anklam wurde der Flugpionier Otto Lilienthal geboren, und in Peenemünde startete die erste Rakete in den Weltraum.
1891 gelangen dem in Anklam geborenen Maschinenbauingenieur Otto Lilienthal die ersten reproduzierbar sicheren Gleitflüge der Geschichte. Seine Methode "vom Sprung zum Flug" wurde von Flugpionieren in aller Welt übernommen und markiert den Beginn des Zeitalters des Menschenflugs. Und genau deshalb heißt Anklam heute nicht nur Hanse- sondern auch Lilienthalstadt.
Am 23. Mai 1848 geboren, besuchte Lilienthal von 1856 bis 1864 das städtische Gymnasium. In Mathematik unterrichtete ihn der später berühmte Astronom Gustav Spörer. Seine Beschäftigung mit dem Vogelflug ist bereits aus dieser Zeit überliefert. 1867 begann er mit ersten Experimenten zum Fliegen. Die Ergebnisse dieser Versuche fanden Eingang in sein 1889 veröffentlichtes Buch zu den physikalischen Grundlagen des Menschenfluges. Nachdem seit 1874 systematische Experimente zu Luftkräften am Tragflügel, mit Flugmodellen, mit Drachen und zu den Eigenschaften des natürlichen Windes folgten, erhielt Otto Lilienthal in den folgenden Jahren 25 Patente, darunter vier Luftfahrtpatente. 1890 und 1891 starteten erste Versuche mit manntragenden Flugapparaten sowie Sprungübungen und erste Flüge über 25 Meter in Derwitz/Krilow bei Potsdam. 1892 gelangen die Flugübungen mit seinem neuen Flugapparat.
1893 errichtete Lilienthal eine Fliegestation in der Nähe seines Wohnhauses. Zu dieser Zeit begann er auch mit den Flugübungen in den Rhinower Bergen (Stölln/Rhinow bei Neustadt/Dosse), bei denen bereits Gleitflüge bis zu 250 Meter gelangen. Es folgten der Bau mehrerer Flugapparate, darunter eines Flügelschlagapparates für motorischen Antrieb sowie die Errichtung des bis heute erhaltenen, sogenannten „Fliegeberges“ in Lichterfelde (Berlin). 1894 ging der „Normalsegelapparat“ in Serienproduktion, und 1895 entstanden Kontakte zu zahlreichen Flugtechnikern verschiedener Länder. Zu dieser Zeit fanden die ersten Flüge mit Doppeldeckern statt.
Am 9. August 1896 stürzte Otto Lilienthal bei einem seiner Flugversuche mit einem Normalsegelapparat ab. Er verstarb einen Tag später in Berlin an den Folgen seiner Verletzungen.
Otto Lilienthal gilt heute als der erste erfolgreiche Flieger der Menschheit. Seine grundlegenden Untersuchungen und Messungen an Modellflügeln sowie seine erfolgreichen Flugversuche ab 1891 führten zwölf Jahre später zur Verwirklichung des Motorflugs durch die Gebrüder Wright.
Das Otto-Lilienthal-Museum Anklam zeigt seine zahlreichen Flugapparate und beschreibt, wie aus dem alten Menschheitstraum vom Fliegen die Geschichte des Flugzeugs wurde. Rekonstruktionen seiner Flugapparate waren nach intensiver Auswertung aller Quellen und auf der Grundlage weniger erhaltener Originalapparate möglich und können bewundert werden.
Neben einem Blick in Sammlung, Ausstellung und Shop des Museums sind umfangreiche Quellen und Informationen zu Lilienthal vorhanden. Das Lilienthal-Archiv für den „Humanisten, Techniker und Flugpionier“, der - gemeinsam mit seinem Bruder - jenseits des Flugzeugs zahlreiche überraschende Spuren hinterlassen hat, sind ebenso zu finden, wie Texte zur Luftfahrtgeschichte zwischen Steinzeit und Flexkite - den Themen des Museums. Gleichzeitig können die Besucher kleine Experimente in den Ausstellungsräumen selbst durchführen. Hier erwarten nicht nur die Erwachsenen, sondern auch Kinder interessante Entdeckungen.
Weitere Informationen zum Museum finden Sie unter diesem Link:
Ausflugsziel Otto-Lilienthal-Museum Anklam
Text: Dr. Bernd Lukasch, bis 2019 Leiter des Otto-Lilienthal-Museums in Anklam
Fotos © Otto-Lilienthal-Museum Anklam
Foto: © Otto-Lilienthal-Museum