Philipp Otto Runge, ein Sohn der Herzogstadt Wolgast, gehört gemeinsam mit dem Greifswalder Maler Caspar David Friedrich zu den Begründern der romantischen Malerei in Deutschland. Sein Geburtshaus in Wolgast beherbergt heute eine kleine Ausstellung über den Künstler. Obwohl im Runge-Haus nur Fotografien seiner Werke zu sehen sind - die Originale hängen in diversen Kunstsammlungen - ist das Runge-Haus ein interessantes Ausflugsziel für Usedom-Urlauber.
Philipp Otto Runge kam am 23.07.1777 als neuntes von elf Kindern der Eheleute Daniel Nikolaus Runge und Magdalena Dorothea in Wolgast zur Welt. Runges Vater war zunächst als königlich schwedischer Schiffsvisitierer tätig. Mit seiner Frau lebte er vor den Toren der Stadt, auf der Kronwiek. Als Beamter der schwedischen Krone hatte er die ein- und auslaufenden Schiffe zu „besuchen“ und die Zahlung bzw. Lizenzen zu überwachen. Um 1780 kaufte er das Grundstück Burgstrasse 7 und das daneben gelegene Wohnhaus Nr. 8, in welches er 1787 mit seiner Familie einzog. Philipp Otto stand durch seine häufigen Krankheiten in besonders inniger Verbindung zu seiner Mutter, die ihn u.a. im Papierausschneiden unterrichtete. Als Lehrer, Freund und erster Förderer Runges gilt Gotthard Ludwig Kosegarten, der seit 1785 als Rektor an der Wolgaster Stadtschule wirkende Theologe und Dichter. 1795 nahm Philipp Otto bei dem ältesten Bruder Daniel in Hamburg eine Kaufmannslehre auf. Daniel unterstützte die künstlerischen Ambitionen seines Bruders und sorgte neben dem Vater für dessen Lebensunterhalt und später auch für die Familie des Künstlers über Philipp Ottos Tod hinaus.
Seit dem Sommer 1797 ließ Daniel dem Bruder täglich eine Stunde Zeichenunterricht erteilen. Von 1799 bis 1801 studierte Philipp Otto an der Akademie in Kopenhagen und setzte danach seine Studien in Dresden fort. Hier lernte er seine spätere Frau Pauline Susanna Bassenge kennen. Der Ehe entsprangen 4 Kinder: 1805 Otto Sigismund, 1807 Maria Dorothea, 1809 Gustav Ludwig Bernhard, sowie am Tag nach dem Tode des Künstlers, am 03.12.1810, Philipp Otto. Die Familie Philipp Ottos wohnte, mit Ausnahme der Zeit zwischen April 1806 und 1807 als er in Wolgast weilte, in Hamburg. Pauline Susanna Runge hat ihren Mann um 71 Jahre überlebt und starb 1881 im 95. Lebensjahr.
Schon im 19. Jahrhundert lassen sich verschiedene Spuren bei europäischen Künstlern verfolgen, die vor allem die Rezeption Runges in der Buchkunst und im Kunstgewerbe betreffen. Erst um die Jahrhundertwende gelangte Philipp Otto Runge stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die Wiederentdeckung des Künstlers durch den Gründer der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, und die Jahrhundertausstellung von 1906, die die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen auf die romantische Kunst lenkten, gaben entscheidenden Anstoß für eine bis heute andauernde, vielschichtige Runge-Rezeption. In der Kunst des Jugendstils fanden nicht nur die florale Ornamentik Rungescher Werke sondern auch die Farbenlehre, die Rahmungsprinzipien und das Naturmythos seiner „Zeiten“ ihren Niederschlag. Erstmals wurden der Persönlichkeit und den wissenschaftlichen Forschungen Runges ausführliche literarische Beiträge gewidmet. In dem Ideengut des Romantikers fanden viele Bauhauskünstler eigene Positionen bestätigt: der Konsens betraf vor allem Teile der Farbenlehre (Paul Klee, Johannes Itten), die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer engen Verbindung theoretischer und praktischer kunstwissenschaftlicher Erkenntnisse in den Wissenschaften sowie die Forderung nach einer Vereinigung von Architektur, Bildhauerei und Malerei als Gesamtkunstwerk.
Seit den 20er Jahren knüpfte die Neue Sachlichkeit (Otto Dix, Georg Schrimpf) in ihrer Stilistik und romantisierenden Tendenz an Runges Malerei an. Unter den Surrealisten suchte vor allem Max Ernst Vorbilder bei Runge.
Runges Vielseitigkeit in Kreativität und theoretischen Überlegungen wiesen oftmals über den Rahmen der bildenden Kunst seiner Zeit hinaus. Er führte neue Bildthemen ein (bürgerliches Monumentalbild, Landschaftsbild, Kinderporträt), entwickelte kunsttheoretische Programme (Farbenlehre) und war wegweisend in seinen praxisnahen Schöpfungen (Zimmerverzierungen, Spielkarten). Seine Vielseitigkeit berührte Gebiete der Literatur (Märchen, Gedichte), Naturwissenschaft (Pflanzenstudien), Linguistik (Pflege der plattdeutschen Sprache) und wirkte hinaus bis auf im Alltag gebräuchliche Gegenstände (Stickereivorlagen, Tapetenborten, Buchumschläge, Galionsbilder und Segeltuch für Schiffe, Sofabekrönung, Theatervorhänge, Konstruktionszeichnungen.
Philipp Otto Runge wird heute ganz allgemein als vielseitigster Künstler des 19. Jahrhunderts bezeichnet. Er ist mit seinem Grafikzyklus der „Zeiten“ der Begründer der romantischen Kunst in Deutschland.
Text: Dr. Barbara Roggow
Fotos © Karin Höll
Werbung