Zugvögel auf Usedom

Zugvögel Insel Usedom Das Rotkehlchen überwintert auf der Insel Usedom

Auf der Insel Usedom ist jedes Jahr im Frühjahr und im Herbst mit dem Vogelzug ein Naturschauspiel zu beobachten, das sich passionierte Ornithologen und interessierte Feriengäste Usedoms nicht entgehen lassen. Einige Vogelarten überwintern auf der Insel Usedom und teilen sich die karge Winterkost mit den einheimischen Inselbewohnern.

Graue Wolken liegen über Haff und Peenestrom. Nur selten einmal öffnet sich die Wolkendecke, lässt für wenige Minuten die Sonne hindurch und ein kleines Stück des blauen Himmel darüber erahnen. Die Schwarzerlen, die noch bis zuletzt einige Blätter festhielten, hat längst der frische Wind aus Nord-Ost kahl gefegt.

Auf den weiten Wasserflächen vom Ostsee und Haff liegen schon seit Wochen die Scharen der nordischen Säger und Enten, die hier in der Odermündung den Winter verbringen werden, solange das Wasser eisfrei bleibt. Auf den mit Wintergetreide und Raps bestellten Feldern dagegen lagern Tausende Gänse aus Skandinavien und der eurasischen Tundra, angelockt von der energiereichen Nahrung, mit der sie über den Winter kommen wollen. Vor Einbruch der Dunkelheit steigt Schwarm um Schwarm auf, um die Nacht auf den flachen Wasserflächen des Peenetals zu verbringen, in Sicherheit vor dem Raubwild ebenso wie vor den Jägern.

In den Wäldern und in Feld und Flur ist das vielstimmige Konzert der gefiederten Sänger längst verstummt. Doch auch wenn meisten unserer Singvögel längst im Winterquartier oder auf dem Wege dorthin sind, ist es in unserer Landschaft nicht langweilig geworden. Der aufmerksame Beobachter wird gerade jetzt, im Winterhalbjahr, auf seinen Spaziergängen Arten entdecken können, die während des Sommers heimlich und versteckt ihre Brut aufziehen, oder aber gar nicht bei uns zu Hause sind. Die Insel Usedom nämlich spielt beim Vogelzug im Ostseeraum eine zentrale Rolle. Durch ihre Lage in der Odermündung ist sie Drehscheibe und Rastplatz zugleich an einer der Hauptstraßen des alljährlich wiederkehrenden Schauspiels der Wanderung über Land und Meer.

Bergfink Insel UsedomAuch dem ornithologisch nicht geschulten Auge fallen die nach Hunderten, manchmal auch nach Tausenden zählenden Schwärme der Drosseln, Finken und Zeisige auf, die Wiesen, Parks und Gärten bevölkern, manchmal sogar inmitten der Ortschaften rasten. Daneben gibt es aber auch eine Reihe von Vogelarten, die sich in nur kleinen Gruppen oder paarweise, ja manchmal auch völlig allein, auf die weite Reise voller Gefahren begeben. All diesen Arten ist die nördlich oder östlich unserer Küste gelegene Brutheimat gemeinsam. Aus den Wäldern Skandinaviens kommen sie, von den Küsten und Mooren Polens und des Baltikums, oder aus der eurasischen Tundra. Sie beleben die Landschaft in der vermeintlich „grauen Jahreszeit“, lässt doch der Winter an der Küste oft den Schnee vermissen. Einige davon, denen man auch auf unserer Insel begegnen kann, sollen im Folgenden näher vorgestellt werden.

Schon im Spätsommer tauchen bei uns die ersten Gäste aus dem Norden Europas auf, die entlang der pommerschen Küste Station machen, bevor sie weiterziehen. Zwischen den zierlichen, langbeinigen Schafstelzen fallen einige dunkelköpfige Exemplare auf, ihren mitteleuropäischen Verwandten ähnlich, aber doch auffallender gefärbt. Die Nordische Schafstelze ist auf der „Durchreise“ bei uns nicht selten, im Swine-Delta hat sie 2007 sogar schon gebrütet. Den Stelzen folgen auf den frisch umgebrochenen Äckern kleine, auf den ersten Blick unscheinbare Vögel. Erst beim Abfliegen leuchten die auffälligen, schwarz-weißen Abzeichen der Schwanzfedern. Knicksend sitzen sie auf Koppelpfählen, Bodenwellen oder Steinen, um den aufdringlichen Verfolger stets im Blick zu haben. Es sind Steinschmätzer, die jeden Herbst aus Nordeuropa zu uns kommen. Sie sind Einsiedler karger Landschaften, die in Deutschland durch die intensive Landwirtschaft selten geworden sind.

Wacholderdrossel Insel UsedomKaum sind die letzten Schwalben Anfang Oktober zu ihrer großen Reise aufgebrochen und die Lockrufe der ziehenden Grasmücken und Laubsänger verstummt, finden sich am Rande der Siedlungen die ersten Trupps der Drosseln ein. Oft sind die bunten Rotdrosseln und die stattlichen Wacholderdrosseln gemeinsam unterwegs. Ihr lautes Schwatzen und die gedehnten Pfiffe schwirren durcheinander. Viele von ihnen bleiben den ganzen Winter über bei uns. Die Früchte von Holunder, Weiß- und Sanddorn sind ihre begehrte Nahrung. Es lohnt sich, diese Schwärme genau zu beobachten. Selten, aber doch fast in jedem Jahr sind auch die nordischen Ringdrosseln darunter, meist nur Einzelvögel, selten einmal zwei in einem Trupp.

Diese schwarze Drossel ist von der Amsel sicher durch den weißen Halsring zu unterscheiden. Noch seltener dagegen sind in diesen Flügen Raritäten aus Sibirien zu finden, Arten wie Schwarzkehl-, Weißbrauen- oder Rostflügeldrossel. Als im 19. Jahrhundert der Drosselfang im „Dohnenstieg“ weit verbreitet (und erlaubt) war, wurden diese Irrgäste hin und wieder auch bei uns nachgewiesen.

Im Unterholz des Waldes, wie im Garten, sind jetzt wieder die Rotkehlchen zu sehen, die während des ganzen Sommers versteckt ihre Brut aufgezogen haben. Aber wer weiß schon beim Anblick des zierlichen Vogels mit den winzigen Perlaugen, dass „unsere“ Rotkehlchen längst im Winterquartier in Westeuropa sind? Ihren Platz haben nun die Artgenossen aus dem Norden eingenommen, die bis zum März bei uns bleiben.

Am Waldrand, aber auch in Feldgehölzen und Parks fallen zwitschernd große Schwärme winziger Vögel ein, die beinah gleichzeitig, wie auf ein unsichtbares Kommando, exakte Wendungen vollführen. Sie landen ebenso rasch in den Kronen der Pappeln, wie sie nur Sekunden später wieder aufsteigen, um erneut einzufallen. Es sind Erlenzeisige, die in manchen Jahren invasionsartig nach Norddeutschland kommen, und sich von der Saat der Laub- und Nadelbäume ernähren. Ebenso wie der Birkenzeisig, der in manchen Jahren nur mit Einzelvögeln bei uns vertreten ist, im Jahr darauf zu Tausenden die Waldränder bevölkert. Oft sind Vertreter anderer Unterarten mit in den Schwärmen, sicher nur zu unterscheiden, wenn man sie gefangen in der Hand hält.

Grünfink Insel UsedomBeide Arten zählen zu den Finkenvögeln, der Vogelfamilie, die im Winter am zahlreichsten und am auffälligsten Feld und Flur belebt. Dazu gehört auch der Grünfink, den meisten vom Futterhaus bekannt, als rechthaberischer, behäbiger Geselle, der den Platz für sich allein beansprucht. Ein Teil der heimischen Population verbringt den Winter hier und wird durch Zuzug aus dem Norden und Osten verstärkt. Ähnlich ist es bei unserer häufigsten Vogelart, dem Buchfinken, im Sommer einer unserer fleißigsten Sänger. Während die meisten Buchfinken in West- und Südeuropa überwintern, erhalten die wenigen „Standhaften“ Zuzug aus dem Norden. Schon im Oktober treffen die ersten Schwärme der Buchfinken bei uns ein. Ein breites, auffallendes „Quäken“ verrät darunter die Bergfinken, die oft mit ihnen gemeinsam ziehen. Bis zum April sind diese Gäste aus dem Norden bei uns. Mit ihrem schwarzen Kopf und der orangefarbenen Brust sind sie eine farbenprächtige Erscheinung in der noch kargen Natur des Ostseefrühlings.

Auf den Feldern des Binnenlandes ebenso wie im Strandhafer der Dünen begegnen dem Wanderer die im Winter eher unscheinbaren Vertreter einer weiteren Familie: die Ammern.

Die Goldammer, die zur Brutzeit eifersüchtig ihr Revier verteidigt, findet sich im Winter zu Schwärmen von manchmal mehreren Hundert Vögeln zusammen. Gemeinsam nutzen sie die Futterplätze der winterharten Rinderrassen, auf denen sie als Körnerfresser reichlich Nahrung finden. Durch die extensive Weidewirtschaft der letzten zwei Jahrzehnte ist der Bestand dieser vor 20 Jahren selten gewordene Art deutlich gefördert worden.

Aus dem Norden zu Gast bei uns ist in jedem Winter die Schneeammer. So wenig ihr grau-braunes Gefieder im Winter auffällt, so leuchtend ist das schwarz-weiße Prachtkleid der Männchen im Frühjahr und verrät damit die hochnordische Art, die bei uns mit ihrem Federkleid viel eher auffällt als in ihrem Brutgebiet. Wie sie kommt auch die Spornammer aus dem Norden Skandinaviens. Meist sind es nur einzelne Vögel, die an einem Feldrain ein kärgliches Mahl aus der letzten Saat der Ackerkräuter halten.

Wenn unsere heimischen Sangeskünstler, die Feld- und die Heidelerchen, im Spätherbst schon lange die Insel verlassen haben, kann man mit etwas Glück einen Wintergast aus der Familie der Lerchen auf der heimischen Feldflur zu Gesicht bekommen. Eine Ohrenlerche zu sehen, mit ihrer markanten Gesichtszeichnung, die Männchen mit deutlichen Federohren, wirkt imposant und fremd zugleich. Am ehesten ist sie im Hochwinter bei uns in kleinen Trupps auf dem Zuge zu entdecken. Entsprechend ihrer heimischen Lebensräume sitzen sie wie Schnee- und Spornammer stets auf dem Boden, nie auf Bäumen.

Sind einige der eben genannten Arten eher unscheinbar und erst bei genauerem Hinsehen sicher zu bestimmen, so gibt es aber auch Arten als Wintergäste, die ein markantes Erscheinungsbild zeigen. In der Agrarlandschaft trifft oft schon Ende Oktober der Raubwürger als einer der stattlichsten Singvögel Europas ein. Einzelbäume und Feldhecken, Leitungsmasten und -drähte sind seine Sitzwarten. Der drosselgroße, schwarz-weiß-grau gefärbte Vogel mit den kräftigen Krallen und dem Hakenschnabel erinnert eher an einen kleinen Falken als an einen Singvogel. Und tatsächlich gehören neben Insekten aller Arten auch Kleinvögel und Mäuse zu seiner Beute, die er wie sein kleiner Verwandter, der Neuntöter, auf Dornen spießt, und damit Vorratswirtschaft betreibt. Wenn auch selten, so ist er doch heimisch in Norddeutschland. Auf Usedom und Wollin hingegen gibt es bisher keinen Nachweis einer Brut, spätestens Anfang Mai ist der Gast aus dem Norden wieder bei uns verschwunden.

Dort, wo im Spätherbst noch Beeren oder Äpfel in den Gärten zu finden sind, kann man einen der merkwürdigsten Wintergäste sehen, der nicht in jedem Jahr zu uns kommt: den Seidenschwanz. Fast immer im Schwarm zusammengeschlossen, fällt der starengroße Vogel zuerst durch seinen trillernden Lockruf auf. Auffällig sind die kleine Federhaube und die bunten Abzeichen an Schwanz und Flügeln in leuchtendem Gelb und Rot. Sein unregelmäßiger Einflug aus dem Norden zu uns - manchmal zu Hunderten, in manchen Jahren gar nicht - ließ ihn früher zu einem gefürchteten Unglücksboten werden. Zumindest aber kommen die Seidenschwänze zahlreich als Begleiter strenger Winter zu uns, so 1995/96.

Dompfaff Insel UsedomEiner der bekanntesten Wintergäste unserer Breiten aber ist der Gimpel. Wegen seiner schwarzen Kappe früher als „Dompfaff“ bekannt, ist er in unseren Nadelwäldern und Parks auch Brutvogel. Die rote Brust leuchtet neben seiner schwarz-weißen Kopf-, Bauch- und Schwingenfärbung weithin aus dem Gehölz, umso schöner, je klarer der Wintertag ist. Neben heimischen Vögeln, die den Winter bei uns verbringen, kommen auch Vögel der nordischen Unterart zu uns, etwas größer als die heimische Form. Oft wird man erst durch die leise geflöteten Rufe auf die hübschen Vögel aufmerksam, die oft in kleinen Trupps zusammen sind. Gimpel auf einer Waldwanderung oder am Futterhaus zu beobachten, zählt für den Naturfreund wohl zu einem der schönsten Erlebnisse im Winter.

Die kalte Jahreszeit, oft als grau, nass und unfreundlich gescholten, hält Überraschungen bereit - für den, der die heimische Natur entdecken will. Oft kann man gerade jetzt die Dinge beobachten, die im Sommer im Schutz der Blätter und Gräser verborgen bleiben. Es lohnt sich allemal, nicht nur bei schönem Wetter!

Text: Dirk Weichbrodt, Fotos © Re.Ko./PIXELIO

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