Vor einigen Jahren erschien in unserem Urlaubsmagazin USEDOM exclusiv ein Beitrag, der mit „Natur im Wandel“ überschrieben war. Im Mittelpunkt der damaligen Bestandsaufnahme für die Insel Usedom standen einige Vogelarten, die über Jahrhunderte unserer Landschaft ihr Gesicht gaben. Seeadler, Uhu, Seeschwalben und Brachvögel waren und sind mit Stimme, Flugbild und ihrer markanten Erscheinung Symbolfiguren für Küste und Wald, Moore und Seen, nicht nur auf der Insel Usedom. Die beiden Erstgenannten schafften es sogar, einen festen Platz in Volksglauben, Sage und Heraldik einzunehmen. Aber wohlgemerkt, die Natur ist im Wandel! Das immer wieder viel zitierte „natürliche Gleichgewicht“ gibt es nicht, auch wenn es – fälschlicherweise – immer noch hier und da in wissenschaftlichen Dokumentationen auftaucht. Unsere Natur ist das Abbild eines beständigen Wettbewerbs zwischen Spieler und Gegenpart, ein täglich, ja stündlich neu austariertes Verhältnis von Beutegreifer und Beute, ein Wettstreit von Konkurrenten um die natürlichen Ressourcen, seien es Nahrung, Partner oder Lebensraum. Und in dem Maße, wie sich die Bedingungen ändern, die natürlichen und die vom Menschen bestimmten, verändert sich auch die Tier- und die Pflanzenwelt unserer Landschaft.

Am ehesten sichtbar und auch am besten dokumentiert ist dieses Geschehen im Artenspektrum unserer Vogelwelt. Einerseits reagiert diese Artengruppe schnell auf Veränderungen in ihrer Umwelt, und andererseits stehen die Gefiederten am intensivsten „unter Beobachtung“ einer großen Schar interessierter Naturfreunde. Sie sind die wohl am besten dokumentierte Tierklasse überhaupt. Darum soll hier an einigen interessanten Beispiele gezeigt werden, dass der Wandel der letzten Jahre und Jahrzehnte in unserer Tierwelt nicht nur Verlust bedeutet, sondern auch Vielfalt durch neu eingewanderte Arten und verschollen geglaubte Rückkehrer. Der Uhu ist aus den Naturreservaten im nordwestlichen Polen auf die Insel Usedom zurückgekehrtDer Uhu ist seit seiner Rückkehr im Jahre 1995 inzwischen fast überall auf der Insel nachgewiesen worden. Die Wiederbesiedlung Usedoms durch die größte europäische Eule – 80 Jahre nach ihrer Ausrottung durch rücksichtslose Bejagung – ist das Ergebnis eines Projektes zur Wiederansiedlung auf der Nachbarinsel Wollin, das von 1992 bis 2008 lief. Nachweise in fast allen großen Waldgebieten der Insel lassen auf eine dauerhafte Ansiedlung hoffen. Ihn zu beobachten wird aber stets eher ein großer Zufall, als ein Ergebnis gezielter Suche sein. Am ehesten ertönt sein dunkler Ruf in der Waldesstille kalter Winternächte, im Februar und März, wenn die Zeit der Revierbesetzung und der Paarung gekommen ist. Den großen Nachtgreif wirklich einmal im Geäst einer kahlen Esche oder Buche sitzen zu sehen, womöglich noch im Gegenlicht einer mondhellen Nacht, gehört zu den unvergesslichen Momenten der Tierbeobachtung!

Der Pommernadler auf Usedom

Ein anderer großer Greifvogel rückt seit einigen Jahren zunehmend in den Blickpunkt der Vogelkundler: der Schreiadler. Er ist der einzige echte Adler, der in Pommern und in Mecklenburg brütet. Ja, er trägt seine Heimat sogar im wissenschaftlichen Namen: Aquila pomarina – der Pommernadler! Nicht zufällig heißt er so, hat er den Schwerpunkt seines mitteleuropäischen Brutgebietes doch im Nordosten Deutschlands und im Nordwesten Polens. AdlerSee- und Fischadler sind dem Namen nach zwar ebenfalls Adler, gehören aber zu anderen, eigenen Gattungen. Sie sind also streng genommen, der zoologischen Systematik entsprechend, keine echten Adler. Der Schreiadler ist mit nur etwa 100 Paaren in Deutschland viel seltener als die beiden anderen Arten. Auf Usedom und Wollin wird der Schreiadler zwar beinahe alljährlich beobachtet, ein endgültiger Brutnachweis steht aber noch aus. Im Swinemünder Forst, auf dem polnischen Inselteil, gilt sein Brüten inzwischen als „höchstwahrscheinlich“. Bei Balm und Neppermin hielt sich 2009 ein Paar für längere Zeit auf, ein Horst wurde aber bisher nicht gefunden.

Störche, Reiher und Co auf Usedom

Bei den großen Schreitvögeln, den Reihern und Störchen, sind es vor allem zwei Arten, denen in den letzten Jahren die besondere Aufmerksamkeit der Naturfreunde gilt: Silberreiher und Schwarzstorch. Der weiße Verwandte unseres Graureihers wurde als echter Neubürger zum ersten Mal 1982 auf Usedom beobachtet, erst 2001 auch auf Wollin. Einst nur Brutvogel in Südeuropa, breitet sich die Art zunehmend in Mitteleuropa aus und brütet bereits in Polen und den Niederlanden. Wie in seinem ursprünglichen Verbreitungsgebiet baut er sein Nest als Bodenbrüter in den Schilfgürteln der Gewässer. Für Deutschland gibt es noch keinen Brutnachweis, obwohl der Gesamtbestand schon mehrere Tausend Tiere zählt. Bei uns ist das Peenetal das Hauptgebiet seines Vorkommens. Aber auch am Kachliner See, am Usedomer See, am Peenestrom und in ausgedehnten Wiesengebieten wie im Inselnorden ist er inzwischen regelmäßig zu finden. Das leuchtend weiße Federkleid fällt bei seiner Größe als ungewohnte Erscheinung ohnehin sofort auf.

Der Schwarzstorch ist eigentlich ein „alter Bekannter“ an der Odermündung. Viel seltener als sein weißer Vetter, überquert er Usedom in jedem Jahr zumindest auf dem Zug, im Mai und im August, manchmal sogar in kleinen Trupps von einem Dutzend Tiere. Als scheuer Einzelgänger braucht er alte Wälder mit Waldseen, Erlenbrüche und Feuchtwiesen als Lebensraum. Solche Wälder sind mit der intensiven Forstwirtschaft fast verschwunden. Wie auch sein Verwandter mit weißem Gefieder ist der Schwarzstorch auf der Insel Usedom beheimatetNoch Anfang des 20. Jahrhunderts wurde er als „Fischereischädling“ rücksichtslos abgeknallt. In der alten ornithologischen Literatur findet sich kein Hinweis auf Brutvorkommen auf Usedom und Wollin. In Deutschland gibt es derzeit nur knapp 400 Brutpaare, er ist vom Aussterben bedroht. Doch seit Mitte der 1990er Jahre gibt es während der Brutzeit Nachweise am Peenemünder Haken, im Thurbruch, bei Usedom und am Zerninsee. Die Beobachtung von jungen Schwarzstörchen lässt sogar eine Brut vermuten, ein letzter Beweis steht aber noch aus. Ähnlich sieht es auf Wollin aus, wo ein Brutversuch dokumentiert wurde. Vielleicht findet der Waldstorch bei uns doch noch eine stille Waldecke, abseits der Wanderwege und des Holzeinschlags, um sich dort zur Brut zurück zu ziehen?

Die Windwatten am Peenemünder Haken sind ein Eldorado für Zug- und Rastvögel. Die in Mitteleuropa vorkommenden Arten haben hier auf ihrer Reise wohl alle schon Station gemacht. Als Brutgebiet für Seevögel hat der Haken schon lange seine Bedeutung verloren, weil jeder meint, hier seine Ansprüche an Natur und Landschaft durchzusetzen. Aber ganz im Verborgenen, da geschehen manchmal noch kleine Wunder. So konnte 1996 ein Greifswalder Ornithologe auf einem Spülfeld bei Peenemünde ein Paar der merkwürdigen Säbelschnäbler bei der Brut beobachten. Auf dem Zuge, im Spätsommer, besucht der hochbeinige, schwarzweiße Watvogel den Haken regelmäßig. Gebrütet hat die Art zuvor hier noch nie. Es ist bis heute der östlichste Brutnachweis an der pommerschen Küste dieser sonst an Nordsee und westlicher Ostsee vorkommenden Art.

Von der Familie der Seeschwalben leben gleich mehrere AVon der Familie der Seeschwalben leben gleich mehrere Arten auf der Insel Usedom - im Bild eine Küstenseeschwalberten auf der Insel UsedomBei uns eine Weißbart-Seeschwalbe als typische südosteuropäische Art zu beobachten, war noch vor 15 Jahren eine absolute Ausnahme. Es sprach sich schnell herum, als 1998 im Anklamer Stadtbruch, vor den Toren der Insel Usedom, einige der grau-weißen Seeschwalben auftauchten. Als diese dann auch noch brüteten und Junge aufzogen, war die Sensation perfekt. Eine weitere Art aus dem Süden als Hinweis auf großräumige klimatische Veränderungen, wie einige Forscher bereits vermuten? Inzwischen gehört die einstige Seltenheit als regelmäßiger Brutvogel zu unserer Fauna, wie andere tierische Neubürger und Rückkehrer auch. In Zeiten länger werdender „Roter Listen“ sind sie auf jeden Fall eine Bereicherung unserer oft schon arm gewordenen Natur. Nicht immer sind solche Einwanderungen in unsere heimische Tierwelt unproblematisch und werden – gerade bei großen, auffälligen Arten – als „Faunenverfälschung“ angesehen. Aber gerade diese Arten sind der Beweis dafür, dass es in der Natur keinen Stillstand und eben auch kein Gleichgewicht gibt.

Text: Dirk Weichbrodt

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