Natur und Historie im Inselnorden Usedoms

Denkmallandschaft Peenemünde Insel Usedom Ruinen der ehemaligen Heeresversuchsanstalt bei Peenemünde / Insel Usedom

Der Nordteil der Insel Usedom ist eine geschichtsträchtige Region, gilt doch Peenemünde als Wiege der Raumfahrt-Technik. Die Landschaft zwischen dem Ostseebad Karlshagen und dem nördlichsten Ort Peenemünde auf der Insel Usedom ist daher in ihrem Charakter einmalig an der gesamten Ostseeküste. Das ehemalige Fischerdorf Peenemünde blickt zwar auf eine 700-jährige Geschichte zurück, seine heutige Gestalt ist jedoch erst seit 1936 geschaffen worden, als das damalige Dorf für die Errichtung der Heeresversuchsanstalt, Hitlers größter Waffenschmiede, fast völlig eingeebnet wurde, nur einzelne Gebäude sind erhalten. Das Gelände wurde aufgespült und wieder bebaut, wofür das heutige Museum Peenemünde im ehemaligen Kraftwerk sowie die Ruine des Sauerstoffwerkes als markante Beispiele stehen. Nach 1945 entstanden die heute noch sichtbaren Gebäude der ehemaligen Marinekaserne (heute u.a. das Museum Phänomenta) und dazugehörige Wohnbauten.

Das weitläufige Gelände der Heeresversuchsanstalt reichte nach Süden über Karlshagen hinaus und umfasste auch heutige Wiesen- und Waldgebiete. Durch Sperrung aus militärischen Gründen auch nach 1945 bedingt, hatte die Natur hier Gelegenheit, sich das Gebiet zurückzuerobern. 1990 besichtigten Biologen das Gelände, erfüllt von Freude über die Vielzahl hier erhalten gebliebener Arten. Erst im 19. Jahrhundert entstanden die Orte Karlshagen und Trassenheide, in einer Region, die bis dahin nicht besiedelt war.

Ostseeseitig ist im Norden Usedoms eines der seltenen Windwatts zu beobachten. Der an Usedoms Kliffküsten abgetragene Sand landet hier wieder an und lässt den Strand ständig breiter werden. Vorstufe sind ausgedehnte Sandbänke im Flachwasserbereich, die bei windbedingtem Niedrigwasser oft trocken liegen. Auf den Dünen, die sich bis Zinnowitz erstrecken, ist Kiefernwald entstanden, der ihnen einen zusätzlichen Halt gibt. Noch bei Karlshagen werden Düne und Badestrand ständig breiter, seit 2002 ist bereits die dritte Pfahlreihe als Dünenbegrenzung Richtung Ostsee neu gesetzt worden. Zwischen den Strandwällen und in den Dünenkiefernwäldern haben sich vermoorte Bereiche erhalten. Die Große Strandwiese, früher Salzgrasland, wird heute von Röhrichten eingenommen. Eine Besonderheit am Nordoststrand Usedoms: große Schilfbestände reichen bis in die Ostsee. Der geringe Salzgehalt des Wassers (etwa 6g/l) lässt das Röhricht hier wachsen, fernab des Strandlebens sind Sumpfohreule, Rohrweihe, Bartmeise und Schilfrohrsänger zu Hause. Andere Moorbereiche werden von Erlen- und Birkenbrüchen eingenommen, in denen noch der Kranich Zuflucht findet und die Beutelmeise ihr kunstvolles Nest versteckt in die Zweige hängt.

Überall in den Dünenkiefernwäldern sind aber auch Reste der früher viel weiter verbreiteten Heide zu finden. Zusammen mit Trocken- und Magerrasen bieten sie vor allem Insekten Lebensräume, die anderswo zunehmend verloren gehen.

Ganz anders ist der Charakter der Natur in Richtung Peenestrom im Westen. Nur wenige Kilometer trennen hier Ost- und Westküste Usedoms. Nach verheerenden Hochwasserkatastrophen 1872 und Anfang des 20. Jahrhunderts, die den gesamten Inselnorden bis Zinnowitz fast komplett überflutet hatten, wurden schrittweise seit den 1920er Jahren Pläne für einen Hochwasserschutzdeich am Peenestrom umgesetzt, der 1941 vollendet wurde. Notwendige Vervollständigung ist ein Hochwasserschutzdeich zwischen Peenemünde und der Ostsee, der seitens des Landes bereits seit Jahren in Planung ist und vor von Norden einströmendem Hochwasser schützen soll.

Zwischen Bannemin und dem Kölpiensee bei Peenemünde liegt ein großes Niedermoorgebiet, geprägt durch eine über Seesand in Jahrtausenden gewachsene Torfschicht, die noch heute für einen hohen Grundwasserspiegel sorgt. Der Cämmerer See entstand durch den Deichbau aus einer Bucht des Peenestroms. Beide Seen und deren Umland sind sowohl Refugien seltener Arten als auch Rastplätze durchziehender Wasservögel. Hier sind ohne Mühe Seeadler, Großer Eisvogel, Rohrdommel, neuerdings auch Silberreiher, mit etwas Glück der Fischotter zu beobachten. Nicht gerechnet die zahlreichen unter strengem Schutz stehenden Pflanzen- und Kleintierarten.

Große Bereiche des Geländes zwischen Peenestrom und Dünenwald müssen bis heute für den öffentlichen Zugang gesperrt werden. Die nach 1945 gesprengten und zum großen Teil unterirdischen Reste früherer Anlagen stellen ein großes Gefährdungspotenzial dar, ebenso die nach mehreren Bombenangriffen auf die Heeresversuchsanstalt hier noch im Boden liegenden Munitionsreste.

Seit 2007 wird das Gebiet zwischen Peenemünde und Karlshagen in seinen gesicherten und zugänglichen Bereichen zur Denkmal-Landschaft Peenemünde entwickelt. Dazu gehören auch die imposanten, drohend und mahnend zugleich wirkenden Ruinen am Peenestromdeich, die durch Informationstafeln erklärt werden. Dieser Standort besitzt internationale Bedeutung als eine sehr komplexe Hinterlassenschaft von militärischer Weltraumforschung und industrieller Entwicklung und ist gleichzeitig Mahnmal für deren missbräuchliche Nutzung, die zum Tod von tausenden Menschen geführt hat. Das Museum Peenemünde mit seiner Denkmal-Landschaft ist eines der international bekanntesten und am meisten besuchten touristischen Einrichtungen an der Ostseeküste.

„Gerade die Verbindung von (Militär)-Geschichte und einzigartigen Naturräumen macht… das Interessante dieser Landschaft im Norden der Insel Usedom aus.“ So formulierte Autor Dirk Weichbrodt in unserer Herbstausgabe 2002 (diesem Beitrag sind noch weitere Angaben entnommen), bezogen vor allem auf den äußersten Nordosten der Insel, der ebenfalls bis heute aus Naturschutz- und Sicherheitsgründen gesperrt ist.
Für Einwohner und Touristen gleichermaßen unverständlich sind aktuelle Pläne, den Hochwasserschutzdeich zwischen Karlshagen und Peenemünde zu schleifen, dadurch ganze Bereiche mit großen Teilen der Denkmal-Landschaft dauerhaft zu fluten und die Bevölkerung einem wahnwitzigen Hochwasser-Experiment auszusetzen - begründet mit einer angeblich notwendigen „Aufwertung der Natur“!

Nähere Informationen dazu auf Anfrage von unserem Verlag.

Text: Rainer Höll

Foto: © nordlicht verlag

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