Im Sommer 2009 machte der Baltic Sprint Cup auf der Insel Usedom Station. Beim Baltic Sprint Cup geht ums Segeln. „Baltic“ steht natürlich für Ostsee, und ein „Cup“, ein Pokal, wird auch verliehen. Was allerdings die Gesamtroute und die einzelnen Etappen mit Sprint zu tun haben, erschließt sich mir bis heute nicht.
Rüdiger, mein in Dänemark wohnender Studienfreund, machte mich auf diese Regatta aufmerksam, die auch über Świnoujście (Swinemünde) und damit die Insel Usedom führen sollte. Er war zusammen mit seiner Frau Katarina in diesem Jahr kein Aktiver, sondern stieg in der Bedeutung eine Stufe hoch, denn er war für die Betreuung während der Hafenaufenthalte zuständig und begleitete deshalb die Route mit dem PKW. Dafür hatten sie ihre Kinder Laurids und Lena auf das Schiff delegiert.
Das Schiff, das ist die „Scarlett Jester“, eine hochseetaugliche 30-Fuß-Yacht mit Heimathafen Sønderborg am dänischen Ufer der Flensburger Förde. Skipper ist Stephen Gosling, ein in Dänemark lebender Engländer mit viel Erfahrung bei Offshore-Regatten, so der offizielle Name für Segeln fern von Küsten.
Der Baltic Sprint Cup wird jährlich seit 2005 ausgetragen. Rund um die Ostsee sollen möglichst jedes Jahr neue Häfen angelaufen werden, bisher waren es 20 Häfen in neun Ostseeländern.
Die diesjährige Route führte von Warnemünde über Rønne (Bornholm, Dänemark), Västervik (Schweden), Liepaja (Lettland) und Swinemünde zum Ziel nach Travemünde. Das sind Einzeletappen von 105 (Warnemünde- Rønne) bis 275 (Liepaja-Swinemünde) Seemeilen, also knapp 200 bis etwa 500 Kilometer! Zeit war dafür vom 18. Juli bis 1. August. Das bedeutete, die Crews waren je Törn zum Teil zwei Tage unterwegs, auf engstem Raum aufeinander angewiesen.
Leider wurde die Regatta durch einen Unglücksfall überschattet, eine erfahrene Seglerin ging vor Bornholm über Bord und konnte nicht gerettet werden.
Die 2009 insgesamt 33 teilnehmenden Yachten zwischen 30 und 70 Fuß kamen überwiegend aus Deutschland, nur ein Niederländer, ein Kanadier und die Scarlett Jester unter britischer Flagge waren die Exoten. Ich sah selbst die Armada im neuen Yachthafen von Swinemünde liegen, der Hafen war ganz auf den Empfang der Besatzungen eingestellt.
Rüdiger führte mich dann in die Runde der Besatzung ein, die einen Nicht-Segler wie mich freundlich tolerierten. Ich konnte mich zumindest mit einer Restaurant-Empfehlung an der neu gestalteten Ost-Promenade von Swinemünde revanchieren. Die Zusammensetzung der Besatzung und ihrer Begleitung ist der beste Beweis für die Grenzenlosigkeit des Segelns. Auf dem Foto sind zu sehen (von links): Denis Cartier, Franzose, lebt in England, seine Freundin Sarah Watson, Stephen Gosling, Skipper und Eigner, Laurids (14), Lena (18) und Katarina Bartling, Barbara Hvidt (14, Tochter von Sophie), Marc Zupan (USA), David Lalley, in Dänemark lebender Engländer, und Sophie Gosling und Rüdiger Bartling.
Als jüngste an Bord wurden Laurids und Barbara respektlos als „Bootsaffen“ bezeichnet, die schienen das aber normal zu finden. Sophie, die mit ihrem perfekten Deutsch meine Interviewpartnerin war, sah sich als „Hausfrau“ an Bord. Die Crew segelt in dieser Zusammensetzung regelmäßig, es sind Freunde oder Nachbarn mit Familien. Was lockt an einer solchen Regatta? Sophie meint, es sind die Herausforderung, das Kennenlernen neuer Häfen, der Zusammenhalt innerhalb der Besatzung. Auch wenn der „Sprint“ mal der Ruhe einer Flaute weichen sollte. Und nicht zuletzt: Die „Scarlett Jester“ erreichte in ihrer Klasse immerhin den 6. Platz.
Für mich war es eine neue Erfahrung, der Einblick in eine eigene Welt – und Hochachtung vor der körperlichen und mentalen Leistung der Segler.
Die Regatta Baltic Sprint Cup 2010 soll von St. Petersburg nach Lübeck führen. Gegenwärtig wird in einer Umfrage ermittelt, ob es mehrere Etappen wie bisher geben, die Strecke non stop absolviert oder eine Kombination aus beiden bevorzugt werden soll.
Text: Rainer Höll
Fotos © Gosling, nordlicht verlag
Foto: © Stephen Gosling
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