Heringe sind das „Silber der Ostsee“ und Heringsgerichte stehen besonders im Frühjahr in den verschiedensten Variationen auf den Speisekarten der Usedomer Restaurants. Im Frühjahr ist der Hering besonders schmackhaft, wenn er frisch aus der Ostsee auf den Teller kommt und den Gaumen erfreut. Jetzt wurde die Usedomer Heringsgala veranstaltet, um diese kulinarische Köstlichkeit zu ehren und die 14. Usedomer Heringswochen zu eröffnen.
Welch weiter Weg liegt zwischen dem ehemaligen vulgären Volkslebensmittel Hering und dem Anspruch heutiger Meisterköche, dem Hering seinen ihm anhaftenden trivialen Beigeschmack durch Veredlung zu entreißen.Das ist ein hoher Anspruch, ein besonderes Unterfangen, Hering auf dem Weg zum veredelten Fisch, zum Edelfisch. Was liegt da näher, als den Weg auf Usedom zu beginnen, wo er einstmals massenhaft gefangen, massenhaft verarbeitet und als konserviertes Lebensmittel den Massen zugänglich, von und in Massen verzehrt wurde.
Heute fehlt jedoch das Massenhafte. Gefangen wird er immer noch, der Ostseehering, aber lange nicht mehr so leicht und schon gar nicht mehr massenhaft. Die Fischfangquoten sind EU-weit geregelt und stark begrenzt, die Fangzeiten bestimmt. In diesem Jahr auch noch durch den Winter, der herrlich war für das Auge und die empfindsamen Sinne, aber fürchterlich für die im Eis gefangenen Fischer.
Die Heringstradition aufrecht zu erhalten, sie dort zu pflegen, wo sie ihren Ursprung hat, ist deshalb schon eine moralische Pflicht und eine Referenz an die Altvorderen, auch ein großes Stück Heimatliebe. Die Tradition zeitgemäß fortzuführen, in einer anderen Zeit, mit anderen Wertvorstellungen, Wünschen und Erwartungen der Menschen ist eine Herausforderung, der sich das Strandhotel Seerose in Kölpinsee nunmehr zum dritten Mal mit der Heringsgala gestellt hat.
Der Hering steht von je her als regionales und originäres Lebensmittel im besonderen Fokus der Gäste der Insel und damit im Zwangsinteresse vieler Gastwirte. Die Wende brachte auch diesem Fisch eine Wende im Blick der Fischer, der Konsumenten und der Produzenten, der verarbeitenden Gewerke und der Köche. Es müssen Heerscharen von Feinschmeckern am Werk gewesen sein, um diesen Trivialfisch geschmackliche Gaumenkitzel abzuringen, in Harmonie von Konsistenz, Eigengeschmack und opulenter Schönung. Einige vermögen das besonders gut, was die Heringsgala bewies.
Eröffnet wurde diese von der Fa. Rasmus, Fischhandel und Räucherei aus Stralsund, Nachfolger des Original Bismarck Herings, mit Kostproben ihres Heringssortimentes. Mit wissender Verarbeitung wird der Hering reizvoller; vom Biss fest und schmelzig zugleich, vom Geruch der Strenge befreit und von der Farbe nuanciert, vom Geschmack variantenreich von herb bis süß von scharf bis mild. Ein gelungener Gruß der Stralsunder zur Eröffnung der Usedomer Heringsgala.
Dem Hering eine Gala zu widmen ist mutig. Da muss man sich seiner Sache schon sicher sein und vor allem tatkräftige und wissende Mitstreiter haben. Dessen war sich Gerd Schulz vom Strandhotel Seerose bewusst und heuerte einen Teil der Nationalmannschaft vom Verband der Köche Deutschlands (VKD) an. Darauf war ich besonders gespannt, weil mir die Mannschaft aus einem Training unter Leitung der Verbandsvizepräsidenten Andreas Rohde und Oppeneder im Landgut Gühlen bereits geschmacklich und optisch bekannt waren. Der Termin hat es vereitelt. Die Köche waren sehr kurzfristig durch Trainings verhindert, sie trainierten für die FHA2010 Culinary Challenge um den Goldenen Löwen - einem der Top 5 der internationalen Kochkunst-Wettbewerbe vom 20. bis 23. April 2010 in Singapur.
Warum sollen die Mecklenburger und Vorpommern sich verstecken? Nicht einzusehen und auch nicht einzufühlen, denn ein Land wie Mecklenburg-Vorpommern, ausgestattet mit einem reichen Gabentisch der Natur, bringt auch Könner des guten Geschmacks hervor. Diese zum Thema Hering an einen Herd zu bringen machte den Abend zur Gala. Unter Leitung des neuen Küchenchefs der Seerose, Christian Wickboldt, wurde das Menü um den Hering kreiert und produziert, mit der Harmonie der geübten Profis. Schön war es sie vereint zu sehen, bei der Arbeit, bei der Fachsimpelei und der Präsentation.
Christian Wickboldt offerierte den Appetitshappen: Ein Apfelsorbet auf Fenchel-Paprika-Salat mit einer Sesam-Honig-Hippe (Gebäcke aus einer dünnflüssigen Makronenmasse mit weiteren Zutaten) serviert in einen Becherglas. Gute Gestaltung, erfrischender Auftakt, freudige Erwartung.
Ronny Siewert, Küchenchef des Gourmet Restaurant Friedrich Franz im Grand Hotel Heiligendamm und Inhaber eines Michelin-Sterns präsentierte seine Vorspeise: Ein Rote Beete Carpaccio mit lauwarmen Balsamico-Matjeshering und Heringskaviar auf Kartoffelmusseline mit Gurke süß sauer. Kleine Tellerkunst, serviert auf einem quadratischen Teller.
Christian Wickboldt überraschte mit einer Pikanten Knoblauch-Birnen-Suppe mit Hering im Kartoffelkokon: Grüner Hering in Kartoffelscheiben gewickelt und in Olivenöl angebraten mit einer vegetarischen Auster. Dreiklang des Geschmacks, von gemildertem Hering, meersalziger Auster und süßlicher Birne, ein Mehrfachtreffer im Obergaumen
Ronny Siewert veredelte den Geräucherten Hering (Bückling) auf Steckrüben-Mousseline nicht nur mit einer Blütengarnitur, sondern auch mit einer Soße aus fruchtigem Apfelmeerrettichschaum. Angerichtet in einem großen tiefen Teller, ein Zwischengericht der ungewöhnlichen Art mit verfeinerten Bücklingsgeschmack.
Hark Pezely vom Ahlbecker Hof selbstbewusst mit dem Hauptgang: Labskaus auf seine Art mit Jakobsmuschel. Das traditionelle Labskausgericht der Seefahrer mit gelben Beten, garniert mit einem Wachtelei, geschmortem Rindsbäckchen und einer gegrillten Jakobsmuschel, der Königin der Muscheln. Angerichtet und serviert auf einem großen flachen quadratischen Teller schnörkellos und treffsicher, eben alles auf seine Art.
André Münch, Gutshaus Stolpe bei Anklam an der Peene, in bescheidener Ansprache des Desserts Mohnstrudel mit Kokosnusseiscreme. Das Dessert, ein zweiter Höhepunkt einer Speisenfolge, wird meistens zum Liebling der Feinschmecker gekürt. Ist des doch farbenprächtig, geschmacksvielfältig und eine Leckerei für die Leckermäuler unter uns Genusswilligen. So war es auch diesmal. André Münch erkochte sich einen Michelin-Stern des namhaften Gourmetführers. Der Künstler unter den Köchen bestach auch mit handgefertigter Porzellanmalerei aus Schokolade, der Punkt auf dem „i“ der Gala.
Als Fazit bleibt. Ein gelungener Abend mit 123 Gästen, ein Menü mit fünf Gängen und einem Appetitshappen, Getränke vom Mineralwasser bis zum Champagner brut, vom milden Warsteiner Bier bis zum kräftigen Aquavit und dem Kaffee danach. Oft vergessen leider der „Background“: eine gewaltige logistische Herausforderung an den Service des Hauses, mit knapp 500 Gläsern, 1000 Tellern und mehr als 1353 Besteckteilen. Der Dank gilt der gesamten Besatzung der Weißen (Küche) und der Schwarzen (Kellner) Zunft, dem gesamten Haus, denn alle Mitarbeiter waren dabei einbezogen.
Die 3. Heringsgala als der Start und Beitrag zu den kommenden Heringswochen erwies sich mit großem Potential als ein weiteres Gestaltungselement des möglichen Usedomer Gourmetfestivals.
Text: Gerald Wetzel
Foto: © Foto Messlin, Bansin
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