Zum Verlust Wolgaster Wahrzeichen

Zum Verlust Wolgaster Wahrzeichen Zum Verlust Wolgaster Wahrzeichen

Die Herzogstadt Wolgast, heute gern als Tor zur Insel Usedom bezeichnet, gehörte einst zu den bedeutendsten Städten an der deutschen Ostseeküste. Im Wolgaster Hafen wurden Waren für die Ostsee-Anrainerstaaten verschifft. Die Herzöge zu Pommern-Wolgast residierten in einem imposanten Schloss, von dem heute leider nur noch die Bezeichnung "Schlossinsel" übrig geblieben ist. Doch Schloss und Bedeutung des Hafens sind nicht die einzigen Wahrzeichen, die Wolgast in den letzten Jahrhunderten verlor. Der folgende Artikel zeugt von der engen Verbundenheit des Autors Adrian Bueckling mit dem Schicksal seiner Vaterstadt Wolgast.

In der Nacht zum 7. Juni 2006 wurde der 1835 von dem Wolgaster Kommerzienrat Wilhelm Homeyer finanzierte, am Hafen gelegene, 5.000 Tonnen fassende Kornspeicher, der größte in Europa, ein Raub der Flammen. Der Speicher war wohl neben der altehrwürdigen Wolgaster St. Petrikirche das bemerkenswerteste bauhistorische Wahrzeichen der Stadt. Nach Pressemeldungen ist ein Wolgaster Bürger der Brandstiftung verdächtig (Der Verdacht hat sich bestätigt – d. Red.).
Alter Speicher, 2006 durch Brandstiftung zerstörtDie Ostsee-Zeitung vom 9. Juni 2006 schrieb dazu: „Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Wolgaster selbst, unwiederbringliches Kulturgut der Stadt zerstört hat.“ Die Zeitung hatte hierbei allerdings nur auf ein einziges, sehr frühes Beispiel zurückgegriffen, nämlich auf die 1688 erfolgte Plünderung der Wolgaster Fürstengruft durch Einwohner der Stadt. Leider sind mehr Fälle Wolgaster Unbesonnenheiten bzw. Unzulänglichkeiten belegt.

Das Wolgaster Herzogsschloss

1798 entsprach die schwedische Regierung dem Wunsche der Stadt Wolgast, die Ruine des 1300 bis 1330 errichteten Herzogschlosses, ein für Vorpommern einzigartig kunsthistorisches Monument, im Interesse der Gewinnung billigen Baumaterials sozusagen als Steinbruch ausbeuten zu lassen. Hierfür zahlte die Stadt der schwedischen Regierung 1200 Reichstaler.
Das Schloss der Herzöge zu Pommern-Wolgast um 1652Im Jahre 1843 hatte dann Wilhelm Homeyer von der Stadt Wolgast die letzten Überreste der immer noch imponierenden, von mehreren Malern, darunter auch von Caspar David Friedrich skizzierten Ruine des Schlosses erworben, um sie vollends abzureißen. Das gewonnene Steinmaterial nutzte Homeyer u.a. für den Bau seines zweiten großen Kornspeichers auf dem Schlossplatz. Diese Denkmalssünde kritisierte auffallend zurückhaltend der Kaufmann Hermann Kroß, der Inhaber der in Wolgast bekannten Tee-en-gros-Handlung am Hafen mit dem Vierzeiler:

„Handel, Schiffahrt wird zur Tat
- Friede kommt ins Land gezogen,
und es bricht des Schlosses Bogen
rechnend ein Kommerzienrath.“

Ende des 19. Jahrhunderts musste dann der Schlossplatz-Speicher auf Raten dem Stahlwerk „Panzer AG“ (viel später „Gußstahlwerk Wolgast“) weichen. Der letzte Teil des alten Speichers wurde 1938 durch Brand zerstört.

Im Jahre 1830 kaufte die Greifswalder Universität durch ihren damaligen Rektor, den kunstbeflissenen Rechtsprofessor Schildener, für 500 Reichstaler die über 950 Bände zählende Wolgaster Kirchenbibliothek. Darunter befanden sich kostbare Folianten und bibliophile Raritäten aus dem Wolgaster Herzogschloss sowie aus nach der Reformation (1534) aufgelösten vorpommerschen Klöstern. Zum verkauften Bibliotheksbestand gehörte überdies eine 36-zeilige Gutenbergbibel aus dem 15. Jahrhundert, die es schon damals in nur ganz wenigen Exemplaren gab. Selbst wenn es sich damals um eine Art Notverkauf gehandelt haben sollte, bleibt dieser Verkauf eine auf unverzeihliche Unkenntnis beruhende Verschleuderung wertvollsten Kulturgutes.

Tore und Türme der Herzogstadt Wolgast

Wolgast verfügte im Rahmen seiner Stadtmauer über drei beachtliche Stadttore: Das Basteyentor im Bereich des heutigen Platzes der Jugend, im Volksmund das „Pastetentor“ genannt, das Bauwiekertor in Richtung Freest in der damaligen Schmiedestraße (der heutigen Wilhelmstraße) und das Wassertor am Hafen. Das Basteyentor war 1731 gänzlich wiederhergestellt, das Bauwiekertor 1733 ausgebessert und das Wassertor war überhaupt erst 1732 hergestellt worden. Das Bauwiekertor wurde im Jahre 1854, das Basteyentor und das Wassertor wurden 1877 abgerissen. Der Wolgaster Chronist Heberlein schreibt dazu, dass die Stadt damit „entschieden verschönert“ worden sei, da die „Tore selber keine großen architektonischen Zierden oder Merkwürdigkeiten“ boten - eine Bewertung, die kaum glaubhaft sein dürfte, nachdem eine Lithographie aus dem Jahre 1850 zumindest das Wassertor am Hafen als kunstvoll gestaltetes und repräsentatives Bauwerk zeigt, das jeder Hafenstadt zur stolzen kommunalen Zierde gereichen würde.

Die Wolgaster Kirche St. PetriAm 9. April 1920 zerstörte ein Blitzschlag den 80 Meter hohen barocken Turm der St. Petrikirche. Das Kircheninnere brannte nahezu völlig aus. Die Kirche musste von Grund auf erneuert werden. Die durch Brand zerstörte barocke, spitze, hohe Turmbekrönung, die nicht nur ein beeindruckender Wegweiser protestantischen Kerygmas, sondern auch ein kulturgeschichtliches Denkmal hoher Grade verkörperte und zudem von der Ostsee her ein weit sichtbares Seezeichen für die Schifffahrt war, wurde indes bis heute nicht erneuert. Der barocke Turmhelm wurde vielmehr durch einen tumben Turmstumpf, eine Art Zeltdach, ersetzt. Alle Entwürfe, zuletzt aus den Jahren 1993/94, den alten Zustand in Gestalt einer barockisierenden Helmform wiederherzustellen, die Turmhöhe gar noch zu erhöhen, scheiterten offenbar an den nicht aufzubringenden Kosten und wohl auch an fehlender Bürgerinitiative (Thomas Buske, Von Kirchen und Kirchtürmen an der vorpommerschen Ostseeküste, Schwerin 1999, S. 15 ff.).

Die alte Holländer-Zugbrücke, die die Stadt über den Hafenarm der Peene mit der Schlossinsel verbunden hatte, wurde 1922 abgerissen. Dieses Brückenjuwel, das der Wiecker Brücke bei Greifswald vergleichbar war, wurde durch eine schmucklose Straßenbrücke ersetzt. Wusste man eigentlich, was man der Stadt und ihren Bürgern damit angetan hat?

Erhaltene Wahrzeichen der Herzogstadt Wolgast

Nur noch wenige alte Denkmäler und Wahrzeichen sind der einst an Malern so reichen Herzogstadt verblieben. Dazu gehören u.a.: das Rathaus, das Museum, das Geburtshaus von Philipp Otto Runge, Teile der Stadtmauer, zwei alte Kapellen, drei Mühlen, jedoch ohne Mühlenflügel, darunter die liebevoll restaurierte Braunsche Mühle, das Bartels-Rassowsche Armenhaus, das alte herzogliche Kanzleigebäude, für Wolgast besonders charakteristisch (immerhin noch) drei Speichergebäude sowie eine Anzahl großer, 2- bis 3-geschossiger Wohn-Speicher-Patrizierhäuser, die, wie es Ulrich Sander beschrieb, seiner Zeit mit „verräucherten Kontoren“ ausgestattet, noch heute „breitbeinig wie alte Hanseaten in den Straßenzeilen“ stehen.
Das historische Rathaus in Wolgast   Die Peenebrücke verbindet in Wolgast die Insel Usedom mit dem vorpommerschen Festland











Lang ist übrigens auch die Liste der Rückschläge hinsichtlich Wolgaster Reputationsämter. Zu oft haben in den vergangenen Jahrhunderten „Unentschlossenheit und Machtlosigkeit der Regenten“ der Stadt und ihren Bürgern Nachteile zugefügt. Beispiele:
o So wurde von den Schweden bereits 1633 der vorpommersche Regierungssitz und das Wolgaster Regierungsarchiv nach Stettin und das Wolgaster Hofgericht 1667 endgültig nach Greifswald verlegt.
o Die kirchliche Generalsuperintendantur wurde bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts von Wolgast nach Greifswald umgesiedelt.
o Die Eröffnung des Swinemünder Hafens im Jahre 1746 sowie die Ausbaggerung des Swinefahrwassers zur sieben Meter tiefen Swinemünder „Kaiserfahrt“ im Jahre 1880 hatten für den Wolgaster Seehandel sehr nachteilige Folgen.
o 1806 verlor Wolgast durch Dekret des Königs Gustav IV. Adolf von Schweden den Königlichen Kreissitz, der nach Greifswald verlegt wurde. Durch Gesetz der Volkskammer der DDR wurde Wolgast 1952 zwar wieder Kreisstadt, verlor aber diesen Status dann abermals und wohl endgültig nach der Wiedervereinigung durch die mecklenburgisch-vorpommersche Gebietsreform der Jahre 1994/95, und zwar diesmal an Anklam (inzwischen Greifswald – Anm. d. Red.).
o Von den neuen Ostseehäfen Vierow und Lubmin, die sich derzeit im raschen Aufbau und Aufwind befinden, drohen für den Hafen Wolgast neue Nachteile. Im 19. Jahrhundert gab es einmal ein provinzialrechtliches Verbot, neben den gesetzlich anerkannten vier vorpommerschen Seestädten Stralsund, Greifswald, Barth und Wolgast neue (Klipp-)Häfen zu errichten, die auf Dauer die bestehenden Seehäfen in ihrer Existenz gefährden könnten.

Welche Stadt hält den Verlust so wichtiger Wahrzeichen und die Demontage so bedeutender verwaltungsrechtlicher Reputationsämter aus? Es kommt fast einem Wunder gleich, dass sich wenigstens nach der politischen Wende auch neue Hoffnungszeichen aufgetan haben: Beeindruckend ist die neue gewaltige Zugbrücke über den Peenestrom, die das Festland mit der Urlaubsinsel Usedom via Bundesstraße und Eisenbahn verbindet. Die neuen maritimen Gewerbezonen und auch Flanierzeilen am Wolgaster Stadt- und Museumshafen gehören ebenfalls zu den Hoffnungen verbreitenden Zeichen der Gegenwart.

Text: Adrian Bueckling (†)
Fotos © Karin Höll (o., 4.v.o., u.l., u.r.), wikipedia.de/Beauwell/gemeinfrei CC0 1.0 (2.v.o.), wikipedia.de/gemeinfrei (3.v.o.)

Foto: © nordlicht verlag

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