Deichbau und Hochwasserschutz im Norden der Insel Usedom

Deichbau und Hochwasserschutz im Norden der Insel Usedom Deichbau und Hochwasserschutz im Norden der Insel Usedom

Im Norden der Insel Usedom befindet sich die sogenannte Peenemünder/Zinnowitzer Seesandebene. Es sind die ausgedehnten flachen Wiesen und sumpfigen Waldflächen zwischen Zinnowitz, dem Gnitz, dem Peenestrom, dem Greifswalder Bodden und den Dünen der Insel Usedom an der Ostseeküste. Auf Grund ihrer Höhenlage wurde diese riesige Fläche bei Hochwasser regelmäßig und vollständig überschwemmt. Die Bewohner der Insel Usedom mieden daher in ur- und frühgeschichtlicher Zeit dieses Gebiet. Von den ca. 1.200 bekannten archäologischen Fundplätzen auf der Insel Usedom liegen weniger als 0,5 Prozent im Überschwemmungsgebiet.

Größere Überschwemmungen gab es 1827, 1853, 1880, 1883, 1887 und 1894. Große Schäden richteten die Hochwasser 1872, 1874, 1904 und 1913 an. In seiner Chronik der Insel Usedom schreibt der Amtsrat Gadebusch 1863: „Wenn jedoch zu Frühjahrs- oder Herbstzeiten durch Nordstürme die Meeresfluten in die Swine und Peene getrieben werden und einen hohen Wasserstand verursachen, so treten Überschwemmungen ein, welche die Niederungen auf weite Strecken zuweilen wochenlang unter Wasser setzen. Vornehmlich ist dies der Fall im nordwestlichen Teile der Insel auf der Straße nach Wolgast, wo die als Landstraßen dienenden meilenlangen Dämme überflutet, beschädigt und unfahrbar gemacht werden. In solcher Zeit vereinigen sich Achterwasser und Schmollen (Schmollensee) und das ganze ausgedehnte niedrige Land des Wolgasterorts wird durch das Austreten des Strummins und des Mölschow’schen Sees in eine unabsehbare Wasserfläche verwandelt.“ Im Norden der Insel Usedom stand dann die Seesandebene vollständig unter Wasser. Besonders groß waren die Schäden durch das Hochwasser 1872.

Im Buch „Strand und See“ berichtet der Lehrer C.F.H. Koch 1873 über den Sturm und die Überschwemmung am 12. und 13. November 1872:
Sturmhochwasser am Peenemünder Haken„…Schwerer heimgesucht wurden die Wohnhäuser der Dörfer Carlshagen und Peenemünde. Einer Correspondens aus Peenemünde entnehmen wir folgendes: Am Dienstag, in der Nacht um 1 Uhr, steigerte sich der Nordostwind zu einem Orkane und stürzte eine solche Wasserfluth dem Dorfe zu, daß in einigen Stunden fast die ganze Ortschaft überschwemmt und Dorf und Feldmark einem See glichen. Da das Wasser in Häuser und Ställe drang, wurde die Noth so groß, daß man das Vieh, um es vor dem Ertrinken zu schützen, in höher gelegen Höfe unterzubringen versuchte. … nachträglich erfahren wir, daß das ganze Dorf mit Ausnahme von 3 Gebäuden unter Wasser gestanden hat. Viele Häuser sind eingestürzt, und noch vielen droht der Einsturz, da ihr Grund unterwühlt und fortgeschwemmt ist. Das Elend und die Noth unter der Bevölkerung ist wahrhaft groß. Sehr viele Einwohner haben all ihr Hab und Gut, und zwar nicht allein ihre Möbel, Vorräthe und Hausgeräthe, sondern auch ihren Viehstand, und, was am meisten zu beklagen ist, ihre Fischereigeräthe und ihre Böte verloren und nur das nackte Leben gerettet.“ 1871 hatten Karlshagen 457 und Peenemünde 614 Einwohner.

Auf Antrag des Landrates, dem eine Petition der Peenemünder Einwohner zu Grunde lag, ordnete der Regierungspräsident in Stettin im August 1905 die Aufnahme von Planungen zur Eindeichung des Ortes Peenemünde an. Nach der Besichtigung am 5. August 1905 sah die Planung einen zwei Meter hohen und ca. 20 Kilometer langen Hauptdeich von der Höhe beim späteren Prüfstand VII durch die Waldungen zum Peenestrom und dort entlang bis nach Karlshagen vor. Davor sollte am Ufer des Greifswalder Boddens ein Sommerdeich von 60 Zentimeter Höhe zum Schutz der Wiesen und Weiden vor den jährlichen Überschwemmungen errichtet werden. Das einzudeichende Gebiet wurde am 4. Mai 1908 nochmals besichtigt. Geplant wurden nun ein Sommerdeich von 1,30 Meter Höhe und ein 2,80 Meter hoher Hauptdeich bis Zecherin. Der Sommerdeich sollte eine Fläche von 273 ha einschließen. Zur Bauausführung kam es aber durch den Ersten Weltkrieg vorerst nicht. Erst im Januar 1925 wurde das Projekt wieder aufgenommen. Die Planung des Preußischen Kulturbauamtes sah nun die Bildung einer Bodenverbesserungsgesellschaft für den Bau und die Unterhaltung der Deiche in den drei Abteilungen Neuendorf-Krummin, Zecherin-Karlshagen und Karlshagen-Peenemünde vor. Die Genossenschaft wurde am 27. August 1925 in Peenemünde gegründet. Die Deiche zwischen Neuendorf und Krummin und zwischen Zecherin und Karlshagen wurden wie geplant bis 1928 errichtet. Ab 1932 wurde der freiwillige Arbeitsdienst zum Bau von Entwässerungsgräben in allen drei Abteilungen eingesetzt.

Cämmerer See   Denkmallandschaft Peenemünde am Deich zwischen Karlshagen und Peenemünde   

 








1936 begann der Bau der Erprobungsstelle der Luftwaffe (Werk West). Um die für den Flugplatz erforderlichen weiten und ebenen Flächen zu schaffen, wurde vom Prüfstand VII bis zur Peenemünder Schanze ein Deich teilweise bis zu 200 Meter in den Peenestrom und den Greifswalder Bodden gebaut. Das hinter dem Deich liegende sumpfige Gelände wurde bis 1944 großflächig aufgespült. Damit war der Hochwasserschutz für die Erprobungsstelle hergestellt. Östlich der V1-Rampen befindet sich ein nicht mehr aufgespültes Spülfeld. Dort, wie auch nördlich und südlich der Straße vom Flugplatz zum Nordhafen, kann man den Zustand der Flächen vor der Aufspülung besonders gut nachvollziehen. Das Entwicklungswerk des Heeres (Werk Ost) und die Siedlung wurden ab 1936 im hochwassersicheren Dünenbereichen errichtet. 1939 begann das Heer mit dem Bau des Versuchsserienwerkes (Werk Süd). Das Dorf Peenemünde wurde bis auf wenige Gebäude vollständig abgebrochen und 1940-1941 die erforderlichen Flächen für das Hafengebiet und das Kraftwerk im ehemaligen Dorfbereich auf zwei Meter über NN aufgespült. Der Bau des vier Meter hohen Deiches von Karlshagen zum Hafen Peenemünde begann Anfang August 1939 und wurde Ende August 1941 beendet. Dadurch entstand der Cämmerer See, bis dahin eine Ausbuchtung des Peenestroms. Ende Oktober 1941 wurde der Deichbau dann mit dem Anschluss zwischen den Aufspülungsflächen nördlich des Hafens Peenemünde und dem Deich der Luftwaffe im Bereich der Peenemünder Schanze erfolgreich abgeschlossen.

Text: Arthur Behn

Aktuelle Entwicklungen

Schild der Bürgerinitiative gegen Deichrückbau im Inselnorden e.v. an einer neu gepflanzten EicheGlücklicherweise gab es seit 1872 kein vergleichbares „Jahrhunderthochwasser“ mehr. Eine Hochwasserschutzanalyse kam nach 1945 zu dem Schluss, dass die bestehende Schwachstelle zwischen Peenemünde und der Ostsee für von Norden her eindringendes Hochwasser durch einen Deich geschlossen werden müsse. Nach langjährigen Untersuchungen und Planungen wurde Anfang dieses Jahrhunderts der Verlauf des Deiches unmittelbar nördlich von Straße und Schiene nach Peenemünde festgelegt und im Regelwerk Küstenschutz des Landes als Vorrangvorhaben bis 2014 verankert. Die Realisierung wurde jedoch  wiederum verzögert – durch abenteuerliche „Renaturierungspläne“ der Landesregierung, die einen Rückbau des Peenestromdeiches zwischen Karlshagen und Peenemünde vorsehen. Die Folgen wären verheerend:
o der bestehende Hochwasserschutz würde aufs Spiel gesetzt
o die Denkmallandschaft Peenemünde und damit der weltweit einzigartige Denkmalstandort Peenemünde würden irreversibel geschwächt
o die Wirkungen der im Boden befindlichen Blindgänger und nach 1945 illegal entsorgten militärischen Altlasten sind unvorhersehbar
Dagegen hatte sich der geschlossenen Widerstand der Bevölkerung formiert, an dessen Spitze eine Bürgerinitiative stand. 2017 gab das Land die Deichrückbaupläne schließlich auf. Aktuelle Pläne zum Lückenschluss des Hochwasserschutzes sehen anstelle früherer Vorhaben die komplette Eindeichung von Peenemünde sowie einen neuen Deich zwischen dem hafen Karlshagen und der Bahnlinie vor.

Text: Rainer Höll

Fotos © Karin Höll

Foto: © Karin Höll

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