Bis heute hat die schwedische Vergangenheit in Vorpommern ihre Spuren hinterlassen. Die Schwedenzeit hat für das vorpommersche Festland nördlich des Peeneflusses bis 1815 und für die Insel Usedom und Wolgast bis 1720 gedauert, ehe diese Gebiete an Preußen fielen. Schwedische Orts- und Familiennamen, Schwedenwappen, Schwedendenkmäler, Schwedenschanzen, Schwedenplatten, studentische Schwedenulke, Schwedenpunsch und Städtepartnerschaften erinnern an den schwedisch-monarchischen Sonderweg der Region.
Dass solche Erinnerungen heute noch lebendig sind, mag nicht zuletzt der milden Herrschaftsausübung durch die schwedische Krone zu danken sein. Im Friedenvertrag von Münster und Osnabrück des Jahres 1648 waren das Herzogtum Vorpommern und das Fürstentum Rügen nur unter Wahrung ihrer Selbständigkeit als deutsches Lehen an Schweden gefallen. Die Vorpommern waren damit Deutsche geblieben - und das, was sich zeigen sollte, sogar bei einem im Laufe der Zeit mancherorts zu beobachtenden „schwedischen Patriotismus“. So hebt zum Beispiel der Wolgaster Chronist Heberlein 1892 hervor, dass „Wolgast gut schwedisch gesinnt war“. Während der fast 200-jährigen Schwedenzeit Vorpommerns waren zahlreiche Pommern in schwedische Dienste getreten, schwedische Verwaltungsbeamte und Offiziere waren pommersche Schloss- und Gutsherren geworden.
Das alles hatte einen regen zivilisatorischen und kulturellen Austausch zwischen Schweden und Pommern zur Folge. Das überdies beide Regionen verbindende reformatorische Bekenntnis bewirkte unter anderem auch, dass christliche Weihnachtsbräuche aus Schweden nach Vorpommern gelangten. Hierzu gehört das Julklappwerfen am Weihnachtsabend. Die Julzeit beginnt in Schweden mit dem Weihnachtsabend und dauert bis zum Dreikönigstag. Diese festliche Zeit ist der Julfriede („julafred“): Hader und Zank hatten zu schweigen, und die Gerichtsbarkeit ruhte in dieser Zeit (laut E. M. Arndt). Aufzeichnungen eines Mitglieds der Wolgaster Reederfamilie Rassow berichten davon, dass in Wolgast in jenen zwölf Festtagen auch keine große Wäsche stattfinden durfte und dass daran geglaubt wurde, Träume hätten in diesen Tagen Wirklichkeit bringende Bedeutung.
In vielen vorpommerschen Haushalten war es noch bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs üblich gewesen, sich am Heiligen Abend mit sogenannten „Julklappen“ zu beschenken. Der Chronist Carl Heller sprach in diesem Zusammenhang in seiner Chronik der Stadt Wolgast aus dem Jahre 1829 von „Julklappsen“. Die Geschenke wurden nicht selten mit polternden Geräuschen unter Nennung des Empfängernamens ins Wohnzimmer geworfen. Mitunter waren es auch Scherzgeschenke. Oder es machte sich nach mühevoller, hastiger Entfernung der Verpackung Enttäuschung breit, weil ein Zettel die Weitergabe des Paketes an einen anderen Empfänger gebot. Auch ließ der Umfang der Julklappe nicht unbedingt auf ein vergleichbares Geschenkvolumen schließen: Es kam zum Beispiel vor, dass ein Armband für die Hausfrau in einem mit Packpapier eingeschlagenen Strohballen versteckt regelrecht ins Wohnzimmer geschoben werden musste. So sorgten Julklappe für Spannung, Überraschung und Aufregung.
Ernst Moritz Arndt hatte in seiner Abhandlung „Erinnerungen an Schweden - Eine Weihnachtsausgabe, Berlin 1818“ dem schwedischen Julfest ein Kapitel gewidmet. Ihm ist zu entnehmen: „Julklappe (Julklappar) heißen Geschenke und Scherze, die man einander zuschickt […] Es ist der nordische Karneval, es sind die Saturnalien des Nordens […] wunderbar und unerwartet muß der Julklapp kommen und sein Sender […] muß unbekannt sein und plötzlich und blitzig erscheinen und verschwinden wie ein Gott […] Vom Klappen gegen die Thüre heißt das Geschenk Julklapp.“ E. M. Arndt berichtet dazu unter anderem, dass sich in Stockholm einmal sogar ein Freier in einem Weinfass ins Weihnachtszimmer der Familie seiner Angebeteten habe rollen lassen. Die fröhlichen und ausgelassenen Julabendsitzungen pflegten nicht selten bis zum frühen Morgen zu dauern. Dabei seien die Tische üppig gedeckt gewesen mit „Schinken, Fleisch, Käse, Butter, gutem Oel und Branntwein“, und jeder der Ankommenden sei bewirtet worden.
E. M. Arndt fasst zusammen: Auch in Pommern kenne man die Julklappe als „eine herübergepflanzte Sitte“, aber das (schwedisch) „Eingeborene, der eigentliche Geist und Glanz“ fehle hier doch ganz! Heute wird kaum noch gejulklappt in einer Region, die mancherorts vor noch gar nicht langer Zeit als „Südschweden“ apostrophiert wurde.
Adian Bueckling (†)
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