Greifswalder Oie

Greifswalder Oie Die Greifswalder Oie ist als Naturschutzgebiet nur begrenzt zu besuchen

Usedom-Urlauber, die im Inselnorden den Blick über die Ostsee schweifen lassen, fragen sich – und die einheimischen Inselbewohner – oft, wie wohl die kleine Insel vor Usedom heißt, die mit ihrem Leuchtturm wie ein blasender Wal anmutet. Es ist die Greifswalder Oie. Die Greifswalder Oie liegt im südwestlichsten Zipfel der Pommerschen Bucht, zwischen den Ostsee-Inseln Usedom und Rügen. Ursprünglich war sie ein Geschenk des pommerschen Fürsten Bogislav IV. an die Stadt Wolgast, die sie aus Geldmangel Ende des 13. Jahrhunderts an die Hansestadt Greifswald verkaufte. Heute ist die Greifswalder Oie ein Naturschutzgebiet und nicht unbegrenzt öffentlich zugänglich.

Wer an der Ostseeküste der Pommerschen Bucht unterwegs ist, wird immer neue, reizvolle Landschaften entdecken, die in ihren Grundzügen wohl ähnlich sind, im Detail aber doch deutliche Unterschiede aufweisen. Die scheinbar endlosen Strände Usedoms, die hell leuchtenden Steilufer der Insel Wollin, oder die sanften, grasbewachsenen Anhöhen des Mönchgutes auf Rügen – die drei größten pommerschen Inseln sind wahre Perlen des Baltischen Meeres.

Erlebt man irgendwo zwischen Sassnitz, Zinnowitz und Misdroy, wie sich die Abenddämmerung von Osten her auf das Meer senkt, gewahrt man einen Lichtstrahl, der die Dunkelheit teilt. Der Insel Usedom und dem Südosten von Rügen noch am nächsten, kann man von der Stubbenkammer auf Rügen oder von der Insel Wollin seinen Ursprung nur noch erahnen. Eines der Leuchtfeuer entlang unserer Küste ist es, das Licht, das mitten aus der Ostsee zu kommen scheint. Dort draußen liegt einer der merkwürdigsten Plätze, der an der südlichen Ostseeküste zu finden ist – die Greifswalder Oie.

Nicht nur, dass das Licht von der Oie über eine Entfernung von 26 Seemeilen sichtbar ist, und damit das lichtstärkste Leuchtfeuer an der pommerschen Küste darstellt, der Leuchtturm der auf der Oie ist der einzige „Linksdreher“ an unserer Küste. Noch dazu ist sein Grundstein im August des Jahres 1853 vom preußischen König persönlich gelegt worden – ein Hinweis auf die Bedeutung des Seezeichens für die Schifffahrt in den Bodden und nach Swinemünde/ Stettin.

Greifswalder Oie historisch
Greifswalder Oie! Ein Wort von für uns ungewöhnlichem Klang. Unsere Vorfahren haben in den Namen das skandinavisch-niederdeutsche Grundwort für „Insel“ gelegt, also Öe, woraus dann Oye und schließlich Oie wurde.

Greifswalder Oie in der OstseeDie kleine Insel draußen im Meer, 10 Kilometer vor Usedom, 12 von Rügen entfernt, ist in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Kaum 54 Hektar groß, ragt ihr Kliff an der Ostseite bis zu 18 Meter hoch aus dem Meer. Mehr als 2 Kilometer lang aber ist der Steinrücken, der sich von der Insel in nur ein bis zwei Meter Tiefe unter dem Meeresspiegel nach Südwesten zieht, übersät von zahlreichen Findlingen. Es ist der Rest einer Grundmoräne, die von der letzten Eiszeit vor 12.000 Jahren hier aufgeschoben wurde, und die mit dem Ansteigen der See in den letzten 5000 Jahren allmählich im Meer verschwand. Ein Beleg noch heute dafür, das die Insel vor Zeiten mehr als doppelt so groß war, als wir sie heute sehen können. Die Landkarten der letzten Jahrhunderte sind die Beweise der Vergänglichkeit jeder Momentaufnahme des Menschen von seiner Umgebung. Das nie ruhende Meer formt seine Küsten mit einer beispiellosen Kraft immer wieder neu.

Für die slawischen Bewohner Pommerns soll sie ein Heiligtum gewesen sein (Swante Wostrossna - heilige Insel), berichteten die Chronisten schon im Mittelalter. Schon seit diesen Zeiten im Eigentum der pommerschen Herzöge stehend, verkaufte diese die Oie 1291 an die Stadt Greifswald. Jahrhunderte lang war die Insel Pferdeweide, erst der Fürsten, dann der Städter. Fischer hatten ihre Hütten als Station für ihre mehrtägigen Fangzüge errichtet, sogar eine Kapelle bot Zuflucht und Schutz vor Unwetter. Seit dem 17. Jahrhundert ist eine bäuerliche Nutzung der Insel beschrieben, die lehmigen Böden waren für den Ackerbau ebenso geeignet wie für die Viehzucht. In den besten Zeiten der landwirtschaftlichen Nutzung wurden 30 Rinder, 40 Schweine, 50 Schafe und bis zu 18 Pferde gezählt. Der schwedische Generalgouverneur Carl Gustav Wrangel ließ Wild zur Jagd aussetzen, der Aussetzungsversuch scheiterte jedoch in ungewohnter Umgebung und auf zu kleiner Fläche. Im Nordischen Krieg holzten 300 dänische Soldaten in zwei Wochen einen Großteil des Waldes der Oie ab, und verschifften das Holz.

Anfang des 19. Jahrhunderts wird den ansässigen Bauern der Bau einer Uferschutzmauer aufgetragen, um den Landverlust an die See aufzuhalten. Bis zu 41 Bewohner (1864) zählt die Insel. Ab 1873 wird der Nothafen für die Fischerei gebaut, er führt zum verstärkten Anlanden von Fischern, die vom Wetter gezwungen, oft mehrere Tage auf der Oie verbringen.

Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts entdeckt der Fremdenverkehr, heute würde man sagen: der Tourismus, das kleine Eiland. Die Seebäderschiffe machen hier Station auf der Route von den Usedomer Seebrücken nach Sassnitz. Auch Dauergäste waren regelmäßig auf der Insel untergebracht. Aus dem Seemannsheim wird später die Inselpension, die den Gästen in den 1920er Jahren als Unterkunft dient. Der Erste Weltkrieg ging an der Greifswalder Oie vorbei.

Naturschutz: Flora und Fauna Greifswalder Oie
Ende der 1920er Jahre sind zum ersten Mal Naturschützer und Ornithologen auf der Insel. Der damalige Naturschutzbeauftragte des Kreises Usedom-Wollin, Herold aus Swinemünde, gehörte ebenso zu ihnen wie der Ornithologe Banzhaf, Kustos des Naturkundemuseums in Stettin.

Was sie auf der Oie vorfinden, beeindruckt die Fachwelt. Es sind weniger die Brutvögel, die aufhorchen lassen. Vielmehr galt die Aufmerksamkeit den nach Tausenden zählenden Zugvögeln aus Europa und Asien, die während des ganzen Jahres die Insel auf ihrer Reise queren, hier rasten, und viel zu oft vom Licht geblendet an den Leuchtturm prallen. Mit den Beobachtungen und Untersuchungen dieser Wissenschaftler begann 1929 eine Entwicklung, die allerdings erst über 60 Jahre später zu ihrem eigentlichen Ziel führen sollte.

Blick vom Leuchtturm Greifswalder Oie über die OstseeVorerst rückte die abgeschiedene Insel ins Blickfeld anderer Interessen. Die militärische Rüstung suchte Flächen zur Erprobung neuer Waffen. 1937 wird die Oie zum militärischen Sperrgebiet erklärt, ebenso der ganze Nordteil der gegenüber liegenden Insel Usedom. Durch ihre Abgeschiedenheit war sie bestens geeignet zur Erprobung der geheimen V-Waffen. Nach 1945 kam kurzzeitig die Rote Armee, danach wurde die Oie zur Beobachtungsstelle der Marine. Später kamen Radaranlagen der Luftstreitkräfte der DDR hinzu. Erst 1991 holte das Militär die Fahne ein und verließ die Insel.

Zwischenzeitlich (1950 – 56) unterhielt das Seuchenforschungsinstitut der Insel Riems hier eine Außenstelle. Die Lage weit draußen im Meer versprach, höchsten seuchenhygienischen Anforderungen zu genügen. Die zunehmende militärische Nutzung lief den Forschungszielen aber zuwider, und 1958 wurde die wissenschaftliche Arbeit eingestellt.

Noch eine Besonderheit in der Historie der Oie soll vermerkt werden. Nach der Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung ab 1951 verbuschte die Insel zusehends. Im Sommer 1977 wurden die ersten drei Shetlandponys vom Zoo Rostock auf der Oie freigelassen.

Fast dreißig Jahre lang wurde so mit wechselndem Erfolg versucht, die Freiflächen offen zu halten, zeitweise hatte der Bestand bis zu 66 Pferde erreicht. Später übernahmen Schafe die Landschaftspflege. Über Jahrhunderte haben Menschen versucht, sich die kleine Insel auf unterschiedlichste Weise nutzbar zu machen. Diese winzige Erhebung in der Ostsee – nur 1,5 Kilometer lang und höchstens 700 Meter breit – hat aber für die Natur eine viel größere Bedeutung, als lange angenommen wurde.

Greifswalder Oie: Vogelzug und Wintergäste
Nicht nur für die unmittelbare Umgebung, sondern weit darüber hinaus für die gesamte südliche Ostseeküste, wirkt die Greifswalder Oie wie ein Trittstein für die alljährliche Wanderung zehntausender Vögel. Stellt das Gebiet der Odermündung von Stettin bis zur Pommerschen Bucht mit dem Haff und den Insel Usedom und Wollin ohnehin schon ein Drehkreuz des Vogelzuges dar, so kulminiert das Zuggeschehen auf der Oie geradezu. Die Insel ist für die ruhelosen Wanderer wie eine Landmarke am Tage, und wirkt bei Nacht mit ihrem Leuchtfeuer sprichwörtlich wie ein Brennglas. Mitten in der südbaltischen Vogelzugroute und in der aus dem Odertal nach Norden weisenden Zugstraße gelegen, zieht sie die Gefiederten an wie ein Magnet. An Arten und Zahlen ist sie jedem anderen Platz an der pommerschen Küste weit überlegen, am ehesten noch vergleichbar mit exponierten Punkten des Vogelzuges wie der Kurischen Nehrung oder der Insel Helgoland. Seit 1929 sind 274 Vogelarten beobachtet worden – auf 53 Hektar Fläche!

Leuchtturm Greifswalder OieViele Arten wurden hier zum ersten Mal, ebenso oft auch zum einzigen Male an unserer Küste nachgewiesen. Darunter sind Raritäten wie Groß- und Zwergtrappe, Steppenvögel aus dem Innern Europas, der farbenprächtige Bienenfresser aus Südeuropa, aus Zentralasien der Isabellwürger, Laubsänger aus den Weiten Sibiriens und Rohrsänger vom Schwarzen Meer. Es sind Arten, die durch verschiedenste Ursachen von ihren Zugrouten abkommen und plötzlich Tausende Kilometer entfernt auftauchen. Extreme Wetterlagen, Umorientierung der traditionellen Zugwege, Anomalien des Erdmagnetfeldes als Kompass der Zugvögel und auch endogene Ursachen bei einzelnen Tieren können die Ursachen derartiger „Verdriftungen“ sein. Vor allem aber unsere einheimischen Sänger rasten auf der Oie. Besonders auf dem Herbstzug sind Rotkehlchen, Fitislaubsänger und Wintergoldhähnchen in großen Schwärmen in den Hecken und Gehölzen des Oberlandes zu sehen.

Die umliegenden flachen Seegebiete der Oie sind im Winterhalbjahr Nahrungs- und Rastplätze für nordische Entenarten. Bis zu 45.000 Eisenten und 17.000 Bergenten, dazu Trauer-, Samt und Schellenten in großen Schwärmen sind oft monatelang im Seegebiet zwischen der Oie, dem Peenemünder Haken und dem Mönchgut zu sehen. Es ist damit das wichtigste Überwinterungsgebiet für diese Arten in der südlichen Ostsee.

Dieser besonderen Bedeutung der Greifswalder Oie wurde 1990 mit der Unterschutzstellung als Naturschutzgebiet erstmals Rechnung getragen. Die Erforschung des Vogelzuges ist dabei die wichtigste Aufgabe. 1931 wurden zum erstmalig Vögel am Leuchtturm und in eigens dafür aufgestellten Netzen gefangen und beringt, später auch in langen Untersuchungsreihen die gefangenen Tiere vermessen und gewogen.

1993 schloss der Verein Jordsand zu Schutze der Seevögel mit der Bundesvermögensverwaltung einen Nutzungsvertrag über die Insel. Seitdem ist die Oie durchgehend in der Obhut des ansonsten an der Nordsee und in Schleswig-Holstein tätigen Vereins, der hier sein einziges Vogelreservat an der pommerschen Küste betreut. Waren die Untersuchungen bis dahin nur unregelmäßig und durch den erschwerten Zugang zur Insel auf Jahrzehnte unterbrochen, so ist erstmals die kontinuierliche Erforschung des Vogelzuges in der Pommerschen Bucht möglich. In den vergangenen 14 Jahren sind hier mehr als 244.000 Vögel gefangen und beringt worden.

Die Biologische Station auf der Insel trägt den Namen „Walter Banzhaf“, in Erinnerung an den ersten hier langjährig tätigen Wissenschaftler und als Verpflichtung für eine zielgerichtete Forschungsarbeit. Möge die kleine Insel in der Ostsee auch zukünftig ein Refugium für eine einzigartige Natur, wissenschaftliche Forschung und interessierte Gäste sein!

Text: Dirk Weichbrodt, Fotos © nordlicht verlag

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